Arbeiten im Tower

Die obersten Instanzen

Der Erste muss zügig runterkommen, der Zweite zügig raufgehen und der Dritte beim Landeanflug sein Tempo reduzieren: Dann ist wieder eine Runde geschafft in Mathias Andlingers Job. Gut 70 Meter über dem Flughafen stellen er und die anderen Towerlotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) sicher, dass sich die Nummern auf ihren Radarmonitoren nie zu nahe kommen. Doch anders als die Figuren im Videospiel Pacman, das einem dabei in den Sinn kommen könnte, symbolisieren die Nummern reale, unterschiedlich schnelle Objekte: startende, landende, rollende Flugzeuge.

Sicherheit ist ihr oberstes Gebot

Und anders als im Spiel können die Lotsen nichts per Joystick steuern. Stattdessen nutzen sie neben den Flugplan-, Wetter- und Radarinformationen auf den Bildschirmen vor allem ihre Augen, ihr Vorstellungsvermögen und natürlich ihre Stimme. Meist sprechen mehrere Lotsen gleichzeitig, und doch ist es weder laut noch hektisch im obersten Stockwerk des Towers. Erst wenn man nah herantritt, hört man ihre Worte – und versteht als Laie doch nur Bahnhof: "November Four" bezeichnet eine der nördlichen Brücken zwischen Vorfeld und Bahn, "Alfa" und "Bravo" stehen für Zu- und Abrollwege zur Start- und Landebahn.

Sowohl die konzentrierte Ruhe als auch das Nato-Alphabet und andere Fachsprachen sind typisch für den Alltag im 78 Meter hohen Tower des Flughafens München. Das gilt auch für die Wetterbeobachtung auf Ebene 92. Gerade arbeitet dort Achim Wildenauer, Wettertechniker des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Auf seinen Bildschirmen flimmert eine andere Fachsprache: Daten von 32 Sensoren, die rund um den Flughafen Windstärke, Wolkenbedeckung, Sichtweite und andere flugrelevante Wetterdaten sammeln.

Wer befindet sich wo im Tower?

  • Flugsicherung:

Je ein Platz- und ein Rolllotse pro Start- und Landebahn, zwei Platzkoordinatoren
sowie ein Supervisor arbeiten tagsüber zeitgleich auf der obersten Ebene des Towers. Ihre
Arbeit beginnt, wenn ein Flugzeug noch etwa 18 Kilometer von der Landebahn entfernt ist und endet, wenn ein Jet nach dem Start in die Routenrichtung abdreht.

  • Wetterbeobachtung:

Rund um die Uhr ist das Tower-Büro des Deutschen Wetterdienstes besetzt - von je einer
Person in Zwölfstundenschicht. Alle 30 Minuten verschickt der Wettertechniker die wichtigsten Augenbeobachtungen und Messergebnisse als Wettermeldung. Bei zu
erwartenden auffälligen Veränderungen telefoniert er mit dem DWD-Wetterberater im Büro im Munich Airport Center.

  • Vorfeldkontrolle:

Zwei Kontrolleure pro Schicht lenken den Verkehr auf den westlichen Vorfeldern von und zu
den Rollbrücken. Für die östlichen Vorfeldbereiche rund um das Terminal 2 und den Satelliten sind vier weitere Kollegen zuständig, die im kleineren Satellitentower arbeiten.

Sie sehen sich fast nie - und arbeiten doch Hand in Hand

Im Tower sitzt Wildenauer zwischen DFS und flughafeneigener Vorfeldkontrolle. Deren Mitarbeiter begegnen sich im normalen Arbeitsalltag nicht und arbeiten doch permanent Hand in Hand. Bevor ein Pilot Münchner Boden verlässt, hatte er mindestens vier Tower-Insassen am Ohr. Zuerst einen Platzkoordinator der DFS: Er überprüft, ob die Maschine Bestandteil des Flugplans ist und die geplante Abflugzeit noch gilt, ehe er die Strecke freigibt und das Flugzeug die Triebwerke anlassen darf. Dann wechselt der Pilot die Frequenz, so dass seine Stimme gut zehn Meter tiefer aus den Lautsprechern der Vorfeldkontrolle erklingt.

Hier, auf Ebene 90, regeln zwei Mitarbeiter den Verkehr auf den westlichen Vorfeldern. Der Pilot, der zuvor mit dem Platzkoordinator gesprochen hat und nun die Abstellposition verlassen will, ruft "Ready for Pushback". Parallel dazu wollen zwei weitere Flugzeuge eine Freigabe.

Jetzt ist höchste Konzentration gefragt. Die eine Maschine muss zur südlichen Startbahn, eine daneben stehende zur nördlichen, während ein gerade gelandetes Flugzeug Richtung Terminalgebäude rollt. Blitzschnell muss der Vorfeldkontrolleur entscheiden, in welcher Reihenfolge und auf welchen Wegen er die Maschinen dirigiert, denn: "Der Flugbetrieb soll nicht nur sicher, sondern auch geordnet und zügig sein", erklärt Jens Bartels, Referent der Vorfeldkontrolle. Sobald der Pilot eine der Brücken zum Rollfeld erreicht hat, wird er angewiesen, erneut die Frequenz zu wechseln. Er gelangt zurück zur DFS, wo nun Mathias Andlinger übernimmt. Eigentlich hält er als Supervisor in der Mitte des Glasrondells Kontakt zur DFS-Zentrale und anderen Stellen. Doch nun vertritt er einen Kollegen, der in die alle zwei Stunden vorgeschriebene Pause geht. Andlinger übernimmt die Position des sogenannten Rolllotsen, der das Flugzeug über die Zurollwege zur Startbahn geleitet. "You are number two behind an Embraer Jet", erklärt er dem Piloten die Startreihenfolge, die nicht einfach davon abhängt, wer am längsten wartet. Entscheidend sind etwa die Sicht, der nächste Anflug und wie schnell eine Maschine starten kann. Hinzu kommt, dass zwei Flugzeuge mit gleicher Route mehr Abstand halten müssen – so dass es sinnvoll sein kann, ein anderes dazwischen zu schieben. "Unser Ziel ist es, den Verkehr schnellstmöglich in die Luft zu bekommen", sagt Andlinger.

Sie lotsen mehr als 1000 Flugobjekte pro Tag

Den Piloten von eben hat er inzwischen an die nächste Frequenz übergegeben: zur Platzlotsin, die links neben ihm sitzt und den Start- und Landeverkehr steuert. Mit »Cleared for immediate takeoff« fordert sie den Kapitän zum sofortigen Abflug auf – denn die nächste Landung steht kurz bevor.

Rund 18 Kilometer vor dem Flughafen hatte sie die anfliegende Maschine begrüßt, Windrichtung und –stärke mitgeteilt und eine reduzierte Anfluggeschwindigkeit angewiesen. Mit diesem Tempo fügt sich der Neuankömmling gleich nahtlos in das große Pacman-Szenario ein - an dem hier in München täglich mehr als 1.000 Flugobjekte teilnehmen.

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